Geschichtliches
Die Historie der Reformierten Kirchgemeinde Luzern
Hier folgt ein Überblick des Protestantismus in Luzern von den Anfängen bis zum Entstehen einer selbständigen Gemeinde.
Geschichtsbuch Reformierte Kirche Luzern (pdf)
In vielen eidgenössischen Städten des 16. Jh. lebten Menschen, welche sich mit Luthers religiösem Gedankengut auseinander setzten. In der Schweiz haben vor allem die Reformatoren Zwingli von Zürich, Vadian von St. Gallen, Oecolampad von Basel und Calvin von Genf Geschichte geschrieben. In Luzern wurde 1488 ein Knabe namens Oswald Geisshüsler geboren. Er genoss eine gute Bildung und wirkte als Humanist und Lehrer an verschiedenen Schulen in Basel. Er war ein treuer Verehrer von Zwingli. Ab 1516 lehrte er an der Stiftschule in Zürich. 1519 wurde Myconius (vormals Geisshüsler) vom Stift Hof und Luzerner Rat als Lehrer in seine Heimatstadt berufen. Als Anhänger des Zwinglischen Gedankengutes benutzte er immer wieder die Gelegenheit, in seinen Aufsätzen, Vorträgen sowie auch im Schulunterricht das Reislaufen (fremder Kriegsdienst) an den Pranger zu stellen. Dies passte den Luzerner Behörden nicht, konnte man doch mit solch „unrühmlicher“ Tätigkeit und den Pensionsverträgen sehr viel Geld verdienen. Myconius wurde 1522 abgesetzt und musste ein Jahr später Luzern verlassen. Er zog wieder nach Zürich und war dort als Schullehrer und „Bibelausleger“ tätig. Er starb im Jahre 1552.
In der zweiten Hälfte des 16. Jh. ging die Regierung von Luzern immer schärfer gegen Bürger vor, die einer „fremden“, eben nicht der katholischen Glaubensauffassung nachlebten. Beispielsweise wurde der Baumeister des Ritterschen Palastes, Giovanni Lyn, im Jahre 1559 in Luzern gefoltert und dann hingerichtet. Er wollte um keinen Preis zum katholischen Glauben übertreten. Manche Bürger mussten einen ähnlichen Schicksaal erleiden.
Im Jahre 1574 wurden die Jesuiten nach Luzern berufen. Sie waren sehr gut ausgebildet, feurige Prediger und hervorragende Lehrer. Über lange Jahre waren sie beim Luzerner Rat beliebt, weil sie sich in der Gegenreformation auch in die vom Katholizismus stark geprägte Politik positiv einmischten.
Anfangs Oktober 1798 musste auf Druck der französischen Militärbesatzung hin die helvetische Regierung von Aarau nach Luzern zügeln. Mehrere protestantische Familien konnten deshalb in Luzern Wohnsitz nehmen. Am 28. Oktober 1798 durfte in der Jesuitenkirche sogar ein protestantischer Gottesdienst gefeiert werden. Dies war vor der Helvetik absolut unmöglich.
Gründung
Verschiedene Versuche, in Luzern eine protestantische Gemeinde zu gründen, scheiterten immer wieder. Vor allem katholische Geistliche aus der Luzerner Landschaft meldeten wiederholt ihre Bedenken dagegen an. An Ostern, den 15. April 1827 war es dann endlich soweit. In Luzern durfte die Gründungsfeier für die erste Schweizerische reformierte Diaspora-Gemeinde stattfinden.
Sonntäglicher Gottesdienst
Der Luzerner Stadtrat stellte der kleinen protestantischen Gemeinde die kleine Kapelle, welche zwischen den Häusern hinter der Rössligasse 14 versteckt ist, zur Verfügung. In diesem Hause war schon lange Zeit vorher die päpstliche Nuntiatur einquartiert. Die Kapelle wurde von den Protestanten mit Opfergeld der Gemeinde restauriert.
Protestantische Friedhöfe
Die junge Gemeinde errichtete als ihr erstes Werk einen kleinen Friedhof vor dem Bruchtor. Er war gerade „45 französische Schuh breit und 64 Schuh lang“ und für 114 grosse und kleine Gräber berechnet. Der Friedhof wurde eingemauert und mit einem bescheidenen Totenhäuschen ausgestattet und im Frühjahr 1828 eingeweiht.
Der Friedhof erwies sich schon bald einmal als zu klein und der Platz in der Nähe des Bruchtores war von Anfang an eher ungünstig gelegen. Aus Gründen der Pietät blieb er noch bis 1883 bestehen. Bereits im Jahre 1860 bot der Stadtrat der reformierten Gemeinde einen Ersatz in der südöstlichen Ecke des neuen Friedhofes auf der ehemaligen Propsteimatte oberhalb der Hofkirche an.
Nach 20 Jahren war auch dieser Friedhof schon wieder zu klein. Ab 1. August 1885 liegen nun die Menschen katholischen oder protestantischen Glaubens friedlich nebeneinander im Luzerner Friedental.
Die erste protestantische Schule
Mit Rücksicht auf die kleine Zahl der Kinder kam um 1830 der Gedanke auf, eine protestantische Schule für Primarschüler einzurichten. Man wollte die protestantische Jugend vor jeglichem „katholisierenden“ Einfluss bewahren. Die damalige Zeit der politischen Machtkämpfe zwischen den Radikalen und Konservativen haben das Zusammenleben zwischen den Protestanten und Katholiken zusätzlich belastet. Trotz allem wurde im Jahre 1833 vom Luzerner Regierungsrat eine protestantische Primarschule bewilligt. Sie wurde mit 16 Kindern am 4. Oktober in der Wohnung des Lehrers am Weinmarkt eröffnet. Sie Schule wurde 1838 in die Senti und bereits 1839 in die Nähe des Bruchtores sowie 1846 in die Eisengasse gezügelt. Am 1. September 1851 wurde sie für immer geschlossen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. durften die Schüler beider Konfessionen die gleichen Schulräume benutzen.
Eigene Kirche
Im Jahre 1857 haben die Regierungen von Luzern und Zürich sich als einverstanden erklärt, dass in Luzern eine reformierte Kirche gebaut werden darf. Zuerst war die Rede von einem sehr schönen Platz in der Nähe des heutigen Versicherungsgerichtes (früher Direktionsgebäude der Gotthardbahn und Verwaltungsgebäude der alten SBB – Kreisdirektion II).
Das Leodegarstift war über diesen Vorschlag jedoch nicht glücklich. Man konnte sich dort nur ungern mit dem Gedanken befassen, dass der „Kilchweg“ zur Hofkathedrale direkt an einem kleinen reformierten Kirchlein vorbeiführt. 1859 kam ein Kaufvertrag für einen Platz hinter dem Hotel Schweizerhof zu Stande. Der bekannte Zürcher Architekt Ferdinand Stadler entwarf eine dreischiffige neugotische Basilika nach englischem Vorbild.
Am 29. September 1861 wurde die Matthäuskirche feierlich eingeweiht.
Im Jahre 1868 wurde beim Glockengiesser Keller in Zürich ein E-Dur Geläute bestellt und am 6. Mai 1869 wurden die 4 Glocken eingeläutet.
Die heutige Orgel mit 38 Registern wurde 1971 erbaut.
Am Eingang erinnert ein in Sandstein gehauenes Relief an den Luzerner Reformator Oswald Myconius.
Das grosse Glasfenster im Chor zeigt die vier Evangelisten mit ihren Symbolen, Lukas mit dem Stier, Markus mit dem Löwen, Matthäus mit dem Engel und Johannes mit dem Adler.
Im Chorraum steht der Abendmahltisch, gestaltet vom Luzerner Bildhauer Brem (anlässlich der Innenrenovation im Jahre 2005 wurde er ersetzt).
Selbständige Gemeinde
Wie schon erwähnt, musste die erste Diaspora-Gemeinde der Schweiz einen beschwerlichen Weg beschreiten. Im Jahre 1827 sprach man von einer geduldeten „Konfessionsgemeinschaft“. Bis 1872 blieb die „Visitationsordnung“ welche von Bern und Zürich vorgegeben wurde, bestehen. Die erste Bundesverfassung von 1848 ermutigte die Luzerner Protestanten, von der Regierung ausdrücklich zu verlangen, dass der Kanton nicht nur für die katholische sondern auch für die reformierte Konfession zu sorgen habe. Mit der neuen Kantonsverfassung von 1875 war es dann endlich soweit. Die reformierte Gemeinde von Luzern erlangte gesetzlich ihre Selbständigkeit.
Bruno Senn, Geschichtskundiger
18. Mai 2006