Yvette Estermann übernimmt Kantonsverantwortung für Letzte Hilfe Kurse
Die Reformierte Kirche Kanton Luzern bietet für alle kostenfrei Letzte Hilfe Kurse an, welche sehr gefragt sind. Es dreht sich um die Frage: «Wie kann ich Nahestehende am Lebensende begleiten?» Neu übernimmt Yvette Estermann die Kantonsverantwortung Luzern für Letzte Hilfe Kurse Schweiz.
Donnerstag, 3. April 2025

Unter reflu.ch/letztehilfe können sich alle Interessierten für den kostenfreien Kurs anmelden. Die Reformierte Kirche Kanton Luzern bietet diese im ganzen Kanton Luzern in unterschiedlichen Regionen und auch digital an. Die Zusammenarbeit erfolgt mit der Lizenznehmerin der Reformierten Kirche Kanton Zürich. Bisher hatte Spitalseelsorger Jörg Leutwyler die Kantonsverantwortung. Im Rahmen der Neuentwicklung der reformierten Gesundheitsseelsorge übernimmt nun Yvette Estermann diese ab Anfang April. Jörg Leutwyler leitet weiterhin Kurse im Kanton Luzern und bleibt damit tätig.
Als Letzte-Hilfe-Kursleiterin werden Sie mit dem Thema Tod konfrontiert. Wie stehen Sie dem selbst gegenüber?
Seit meiner Kindheit gehört für mich der Tod zum Leben dazu. Es ist ratsam, sich in diesem Thema weiterzubilden, Erfahrungen mit anderen zu teilen und so gut wie möglich für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Und wie gehen Sie mit dem Tod um?
Der Tod ist ein Übergang: Wir werden ins Leben geboren und werden einmal an die Schwelle treten, wenn das Leben endet. Der Tod ist eine Selbstverständlichkeit. Deshalb sollten wir uns auch damit auseinandersetzen.
Hat Ihr Beruf Ihren Umgang mit dem Tod geändert?
Mein Beruf hat mich bestärkt in den Erfahrungen aus meiner Kindheit. Ich bin in der Slowakei aufgewachsen, wo der Tod kein Tabu-Thema ist. Ich war früh aufgeklärt und informiert. Durch mein Studium der Medizin und meinen Beruf als Ärztin kamen die wissenschaftlichen Erklärungen dazu und es wurde mir klarer, was mit Sterben zu tun hat.
Die Letzte Hilfe Kurse mit beschränken Plätzen sind sehr gut gebucht. Woher kommt das grosse Interesse?
Der Tod betrifft jeden Menschen früher oder später. Betroffene machen den grössten Teil der Kursteilnehmenden aus. Es sind viele Eheleute, die ihren Partner pflegen oder Söhne und Töchter, deren Eltern im Sterben liegen. Jeder Mensch wird irgendwann in seinem Leben mit dem Tod eines nahestehenden Menschen konfrontiert. Für diese Menschen ist der Kurs da.
Und was treibt sie dazu an, am Kurs teilzunehmen?
Die Leute kommen, um Sicherheit zu bekommen. Durch den Austausch merken sie, dass sie nicht allein sind. Es ist eine Situation, die wir alle irgendwann erleben, wir tauschen uns aber nur wenig darüber aus.
Ist der Kurs eine Form von Therapie?
Nein, wir erklären die Abläufe und die körperlichen Veränderungen, welche die Sterbenden durchmachen: Wie lange dauert der Prozess? Kann die sterbende Person mich noch wahrnehmen? Welche Medikamente helfen? Der Kurs vermittelt wertvolle praktische Informationen, insbesondere durch den Aufbau und die Systematik der verwendeten Powerpoint-Präsentationen, welche international im Einsatz sind. Die Kursteilnehmenden wirken aktiv mit. Das kann für sie manchmal einen therapeutischen Effekt haben ... Es ist also ein Kurs, der zum Austausch einlädt und deswegen auch sehr geschätzt wird.
Ist nicht jeder Tod eine individuelle Erfahrung?
Ja und Nein. Jeder Tod ist ein subjektiv intimes Geschehen. Aber das Sterben an sich beziehungsweise der Verlauf in den letzten Stunden des Lebens, ist für alle gleich. Da macht auch das Alter keinen Unterschied.
Was ist das Wichtigste, wenn man eine sterbende Person begleitet?
Abschied nehmen. Liebe ausdrücken oder noch schwelgende Konflikte klären. Das Schlimmste, was passieren kann, ist ein Tod ohne Abschied. Gerade im Sommer höre ich oft Fragen wie: ‹Meine Mutter liegt im Sterben, kann ich trotzdem in die Ferien?› Die Antwort lautet jeweils ja, solange man sich vorher verabschiedet. Ohne Abschied ist der Prozess der Trauer schwerer zu bewältigen.
Woran liegt das?
Früher gab es eine grössere Abschiedskultur, die ganze Familie kam vorbei, um Abschied zu nehmen. Jetzt wird alles an jede Person angepasst. Das ist auch in Ordnung so, doch die kollektive Erfahrung vom Tod geht dadurch verloren. Wir teilen unsere Erfahrungen nicht mit anderen, die das Gleiche erleben. Das erschwert die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod.
Plädieren Sie also für eine Wiedereinführung dieser Abschiedskultur?
Wir fokussieren uns im Kurs auf die Wichtigkeit solcher Rituale, aber wir sind nicht nostalgisch. Was verschwunden ist, ist verschwunden. Wir kämpfen nicht gegen gesellschaftliche Entwicklungen: Stattdessen schlagen wir Wege des Abschiednehmens in einem zeitgemäßen Rahmen vor.
Nach dem Abschied folgt also die Trauer – bereiten die Kurse auch darauf vor?
Wir sind kein Trauerbegleitungskurs, aber wir stehen am Ursprungspunkt der Trauer. Beispielsweise stellen wir die Frage, ob es Dinge gibt, die im Vorfeld vorbereitet werden können? Unabhängig von Alter und Gesundheitszustand: Alle sollten einen Vorsorgeauftrag und eine Patientenverfügung erstellen lassen. Falls etwas passiert, erleichtert dies das Leben der Angehörigen.
Gibt es überraschende Fragen in den Kursen?
Überraschend weniger, aber manche Frage können sehr emotional werden. Es gibt berührende Momente, wenn mir Kinder voller Liebe von ihren Eltern erzählen. Aber natürlich auch Momente grosser Traurigkeit. Da muss ich selbst aufpassen, nicht überwältigt zu werden. Wir sprechen über ein ernsthaftes Thema, pflegen aber einen lockeren Umgang mit dem Tod. Der Tod ist kein Schreckgespenst, er ist ein Begleiter, den wir immer wieder begegnen und irgendwann auch selbst einmal erfahren.
Zur Person
Yvette Estermann ist in der Slowakei in Bratislava geboren. Sie promovierte in allgemeiner Medizin, führte eine Praxis für Homöopathie in Luzern, war Einwohnerrätin, Kantonsrätin und während 16 Jahren Nationalrätin. Aktuell befindet sie sich im Masterstudium der Theologie an der Universität Bern. Sie ist als Armeeseelsorgerin tätig und bei der Reformierten Kirche Kanton Luzern im Projekt Gesundheitsseelsorge sowie als Kantonsverantwortliche der Letzte Hilfe Kurse.
Kostenfreie Letzte Hilfe Kurse für alle: reflu.ch/letztehilfe