Kirchensplitter

Falsch abgebogen

Ein Muslim betet auf dem Teppich. Er schliesst sein Gebet mit den Worten: «Gott ist gross». Er geht zurück in seinen Alltag, demütiger und freundlicher als zuvor. Er stiftet Frieden, wenn er Streit sieht. Das bedeutet für ihn der Satz: Gott ist gross. Dieser Glaube lässt ihn bescheiden und menschlich sein.

Montag, 3. Februar 2025

Ein Muslim hält seine Kalashnikov gen Himmel und ruft denselben Satz: «Gott ist gross». Derselbe Satz - ganz andere Bedeutung.  Dort stiftet er Frieden, hier ist er die Begründung für Terrorismus. 

Jesus lehrte uns zu beten: « Dein Wille geschehe»! Fast identisch der Schlachtruf der Kreuzzügler aus dem Mittelalter: «Gott will (es)».  Ein designierter amerikanische Minister hat sich diese lateinischen Worte auf die Haut tätowiert: Deus vult.

Dieselben Worte, eine ganz andere Bedeutung. Mir kommt es so vor, als seien die Islamisten und die Kreuzzügler irgendwann falsch abgebogen. Und nun trifft uns der Vorwurf: An den Kriegen seien doch die Religionen schuld.

Bislang habe ich mich empört: Der Terrorismus habe doch nichts mit der Religion zu tun. Man möge doch bitte auf die Friedensstifter schauen. Und doch ist klar: Der Missbrauch des Glaubens für die eigenen Machtfantasien so alt ist wie der Glaube selbst. Wir können uns nicht freisprechen, aber wachsam sein. 

Christoph Thiel, Pfarrer