Seelsorge hat viele Facetten

Eine Kernaufgabe der Kirche ist die Seelsorge, die immer wichtiger wird, sagt Verena Sollberger und erlebt regelmässig die positive Wirkung der «Seelsorge to go».

Mittwoch, 15. Januar 2025

Verena Sollberger, reformierte Pfarrerin Stadt Luzern; Foto: Esther Albisser Verena Sollberger, reformierte Pfarrerin Stadt Luzern; Foto: Esther Albisser

Was ist Seelsorge?
Seelsorge ist etwas vom Wichtigsten, das wir alle in allen Lebenslagen tun können. Es bedeutet: zuhören, miteinander sprechen, für einander da sein. Über Gespräche knüpft man Beziehungen und letztlich ein Netz, das einem trägt. Seelsorge ist somit auch ein zentraler Teil meiner Arbeit als Pfarrerin.  

Wer kann sich an die Seelsorge der Reformierten Kirche wenden?
Alle. Ob nun reformiert, katholisch oder konfessionslos spielt keine Rolle. Im Vordergrund stehen der Mensch und seine Bedürfnisse.

Mit welchen Anliegen kommen Menschen zu Ihnen?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt von ihrer aktuellen Lebenssituationen ab. Es sind unter anderem Menschen in schwierigen familiären Verhältnissen oder die nach einem Todesfall in ihrer Trauer nicht weiterkommen. Es sind aber auch Menschen, die einsam sind oder nach Perspektiven suchen. All diese Menschen schätzen es, dass unsere Türe immer offensteht und nichts festgehalten wird oder weitergeht. Es gilt das Seelsorgegeheimnis. 

Also eine Art Therapie?
Ganz und gar nicht. Wir sind keine Psychologinnen oder Therapeuten. Wir haben eine andere Funktion. Wir hören aktiv zu und spiegeln das Gehörte. Wir präsentieren keine Lösungen, sondern helfen den Menschen, Strategien selbst zu finden. Das ist übrigens fast immer und überall möglich. Seelsorge hat viele Facetten.

Wie meinen Sie das?
Ich nenne es «Seelsorge to go». Beispielsweise komme ich oft im Bus mit Menschen ins Gespräch und höre ihnen zu. Oder ich spüre nach einem Gottesdienst, dass es einer Person nicht gut geht und schicke ihr eine Karte oder suche aktiv das Gespräch. Auch so kann man Sorge zur Seele tragen, auch in der Familie und unter Freunden.

Hat die Nachfrage nach Seelsorge zugenommen? 
Ja. Der Hauptgrund dafür ist Einsamkeit. Immer mehr Menschen leben allein oder fühlen sich einsam. Es besteht ein grosses Bedürfnis nach Austausch, Kontakt und Beziehungen. Das erlebe ich beispielsweise nach Gottesdiensten, wenn fast die ganze Gemeinschaft zum Kirchenkaffee bleibt. Auch der Mittagstisch jeden Dienstag im Lukas ist sehr beliebt und für mich ein gutes Beispiel für konkret gelebte Seelsorge: Man bietet einen Tisch an, bringt Menschen zusammen, bietet Gemeinschaft.

Inwiefern trägt die Seelsorge zur Bedeutung der Kirche bei?
Seelsorge ist eine Kernaufgabe der Kirche und wird immer wichtiger. Bei vielen Menschen nehmen die Kontaktmöglichkeiten ab, das Bedürfnis nach Austausch bleibt. Oder Jugendliche wollen ein Thema nicht mit den Eltern besprechen und sind dankbar für einen Ort, an den sie mit ihren Anliegen hingehen können. Die Kirche leistet hier einen wichtigen Dienst und es bewirkt, dass auch Menschen, die wenig mit der Kirche am Hut haben, dabeibleiben.